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Unternehmer-Vortrag: Dr. Tobias Ohler

„Die Energiewende erfordert hohe Investitionen bei unklarem Ausgang.“

Die Chemiebranche spielt eine zentrale Rolle im täglichen Leben, auch wenn ihre Produkte oft unsichtbar bleiben. Dies verdeutlichte Dr. Tobias Ohler, CFO der Wacker Chemie AG, in seinem Vortrag zum Abschluss des Konferenztages. Als "magische Zutaten" befänden sich chemische Erzeugnisse in zahllosen Alltagsprodukten – von Bauwerken über Elektronik bis hin zu Kosmetika und Lebensmitteln. Besonders bedeutend seien Silikone, die in nahezu allen Industriezweigen Anwendung fänden, etwa bei der Abdichtung von Fugen, in der Automobilindustrie oder in Körperpflegeprodukten. Auch in der Medizintechnik seien sie unverzichtbar, beispielsweise bei Kathetern und Beatmungsgeräten.

Die Chemiebranche stehe vor vielen grundlegenden Herausforderungen. Zwar treibe der Trend zur Nachhaltigkeit Innovation voran, wobei mehr als zwei Drittel der Produktpalette bereits auf dieses Thema einzahlten. Zugleich betreffe die Transformation zur Klimaneutralität die Chemiebranche von zwei Seiten: Einerseits sei sie Ermöglicher für klimafreundliche Technologien, andererseits aber selbst sehr energieintensiv. Die Umstellung auf erneuerbare Energien erfordere hohe Investitionen bei unklarem Ausgang. Die enormen Energieanforderungen der Branche und damit die große Abhängigkeit von einer verlässlichen Energiepolitik verdeutlichte der CFO am Beispiel eines einzelnen Chemiestandorts, der bereits 0,5% des deutschen Stromverbrauchs und 1% des Gasverbrauchs ausmacht. Daher führte der Ukraine-Krieg bei den Energiepreisen zu massiven Verwerfungen. Diese Abhängigkeit von russischem Gas und eine massive Überbevorratung in der Wertschöpfungskette resultierten in einer starken Rezession. 

Regulatorische Herausforderungen wie die CO2-Bepreisung und die EU-Taxonomie, so Ohler, schaffen weiterhin zusätzlich hohe Komplexität im internationalen Wettbewerb. Die Branche reagiere darauf mit verstärkter Elektrifizierung der Prozesse, Reduktion von CO2-Emissionen und der Zertifizierung von Lieferketten. Die Digitalisierung hingegen stelle einen Wachstumstreiber dar, insbesondere durch die steigende Nachfrage nach hochreinem Silizium für Computerchips – ein Bereich, in dem höchste Präzision gefordert ist: nur ein Fremdatom pro einer Milliarde Atome ist erlaubt. Und so konnte Ohler mit recht sagen: Ohne Chemie keine Computer.

Interview mit Dr. Tobias Ohler

Dr. Matthias Ohler erläutert im Interview, welche Rahmenbedingungen die deutsche Chemieindustrie braucht, um wettbewerbsfähig zu bleiben und welche Möglichkeiten die Digitalisierung bietet.